Respekt und Rücksichtnahme – über die Bedeutung von Verantwortung gegenüber Trainingspartner*innen im Kampfsport

Kampfsport beinhaltet nicht nur physisches Training, sondern vermittelt auch eine Haltung, die Respekt, Disziplin und Verantwortung umfasst. Egal, welche Kampfsportart Du praktizierst, eine vertrauensvolle Beziehung zu deinen Trainingspartner*innen ist von entscheidender Bedeutung. Denn im Kampfsport ist eine enge physische Interaktion oft unvermeidlich und sogar notwendig, um Techniken zu erlernen und zu verbessern. Im Gegensatz zum Alltag, wo unsere persönliche Distanz oft gewahrt wird, treten Kampfsportler*innen in einer Trainingsumgebung oft näher zusammen. Das gilt sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Diese körperliche Nähe kann besonders am Anfang ungewohnt, ggf. sogar mit Unsicherheiten, Ängsten bis hin zu traumatischen Erfahrungen verbunden sein. Dass wir diese Grenzen in einem sportlichen Rahmen überschreiten dürfen, ist Konsens auf der Matte – aber auch nur das.

Die Übernahme von Verantwortung für die Sicherheit und das Wohlbefinden unserer Trainingspartner*innen im Training ist damit ein grundlegendes Element jeder Kampfsportgemeinschaft. Indem wir uns gegenseitig schützen und unterstützen, verbessern wir nicht nur unsere individuellen Fähigkeiten, sondern bauen eine starke und einladende Kampfsportgemeinschaft auf.

Judo bei Sticks&Stones

Hier sind einige Gründe, warum dies so wichtig ist:

1. Sicherheit geht vor

Im Kampfsport erlernen wir unterschiedliche Techniken wie Würger oder Hebel im BJJ, Schlag- und Tritttechniken im Kickboxen oder Takedowns im Ringen. Diese Techniken haben ein erhebliches Verletzungspotenzial, wenn sie unkontrolliert bzw. mit zu viel Kraft ausgeführt werden. Durch ein verantwortungsbewusstes Verhalten und achtsames Training kannst Du dazu beitragen, dieses Risiko zu minimieren. Indem Du auf die Techniken und Grenzen deiner Trainingspartner*innen achtest, kannst du Unfälle vermeiden und ein sicheres Umfeld für alle schaffen.

2. Gegenseitiger Respekt

Respekt ist ein zentraler Wert im Kampfsport. Indem Du die Sicherheit und das Wohlbefinden deiner Trainingspartner*innen priorisierst, zeigst du Respekt für ihre Person sowie ihre Fähigkeiten und erkennst ihre Grenzen an. Dies fördert eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und der Anerkennung innerhalb der Trainingsgruppe und trägt zu unserem familiären Klima im Gym bei.

3. Gemeinsames Wachstum

Im Kampfsport lernen wir nicht nur von unseren Trainer*innen, sondern auch von unseren Trainingspartner*innen. Indem Du Verantwortung für ihre Entwicklung übernimmst, hilfst Du nicht nur ihnen, sondern auch dir selbst, besser zu werden. Durch konstruktives Feedback und unterstützende Zusammenarbeit könnt ihr gemeinsam eure Fähigkeiten verbessern.

4. Vertrauensbildung

Ein sehr wichtiger Aspekt des Kampfsports ist das Vertrauen in unsere Trainingspartner*innen. Indem du dich verantwortungsbewusst verhältst und ihre Sicherheit gewährleistest, baust du Vertrauen auf. Dieses Vertrauen ist entscheidend für effektives Sparring und Partner*innen-Übungen, da es dir ermöglicht, dich voll und ganz auf das Training zu konzentrieren, anstatt dich um deine Sicherheit sorgen zu müssen.

5. Vorbild sein

Indem du Verantwortung für deine Trainingspartner*innen übernimmst, fungierst du als Vorbild für andere  Menschen auf der Matte. Du zeigst, dass Verantwortungsbewusstsein und Rücksichtnahme nicht nur wichtige Tugenden im Training, sondern auch im täglichen Leben sind.

Trainiere mit einem Growth Mindset

Persönliches Wachstum im Sport und die Übernahme von Verantwortung für deine Trainingspartner*innen sind nicht nur eine Frage deiner technischen Skills, sondern in besonderem Maße von deiner Trainingsattitüde. Wachstum entsteht in einem Trainingsumfeld, das dich zwar herausfordert, aber nicht überfordert.

Dies lässt sich mit Hilfe des Drei-Zonen-Modells veranschaulichen. In der Komfortzone fühlen wir uns wohl und sicher und greifen auf gewohnte Verhaltensweisen zurück. In dieser Zone gibt es wenig Raum für Wachstum. Der Bereich, in dem wir uns herausfordern und neue Fähigkeiten erlernen, ist die Lernzone. Hier erfahren wir Wachstum und Entwicklung. Die Angstzone liegt jenseits unserer aktuellen Fähigkeiten und kann zu Angst, Unsicherheit und Überreaktionen führen. Dies birgt wiederum ein höheres Risiko für Verletzungen.

Ein Growth Mindset ermutigt dich dazu, dich regelmäßig in die Lernzone zu begeben, um Wachstum und Fortschritt zu fördern, während die Angstzone als Gelegenheit zur Reflexion und zur Überwindung von Ängsten betrachtet werden kann. Durch das Verständnis und die Akzeptanz dieser Zonen können wir unsere Komfortzone erweitern und ein umfassenderes Verständnis von persönlichem Wachstum entwickeln.

Communication Is Key

Die Übernahme von Verantwortung im Training setzt ein tiefes Verständnis sowohl für den eigenen Körper als auch die Grenzen unserer Trainingspartner*innen voraus. Dieses Verständnis kann insbesondere dann herausfordernd sein, wenn Du gerade erst mit einer Kampfsportart beginnst. Erst über die Trainingserfahrung lernst Du deinen Körper kennen, deine Kraft einzuschätzen sowie ein neues Körpergefühl aufzubauen und kannst dieses Wissen im Training auf deine Trainingspartner*innen übertragen und auf diese Weise dessen Grenzen antizipieren.

Kommunikation ist der Schlüssel zum effektiven Umgang mit den Zonen des persönlichen Wachstums.  Es ist wichtig, dass wir die Bedürfnisse und Grenzen unserer Trainingspartner*innen respektieren und gleichzeitig unsere eigenen Bedürfnisse äußern können. Durch offene Kommunikation mit uns selbst und unseren Trainingspartner*innen können wir unsere Grenzen erkennen und gezielt erweitern. Außerdem können wir Unterstützung erhalten, um Herausforderungen zu meistern, während wir gleichzeitig darauf achten, nicht in Panik zu verfallen und eigene Überreaktionen zu provozieren. Indem wir ein offenes Gespräch führen und um Hilfe bitten, können wir ein unterstützendes Umfeld schaffen, das es uns ermöglicht, unser volles Potenzial auszuschöpfen und ein echtes Growth Mindset zu kultivieren.

Sparring im BJJ auf dem Boden

5 Tipps zur Umsetzung

1. Klopfe rechtzeitig ab

Es ist wichtig, rechtzeitig abzuklopfen, wenn Du dich in einer unangenehmen oder schwer zu befreienden Position befindest, um Verletzungen zu vermeiden und das Training sicher zu gestalten. Es ist nicht notwendig, im Training bei einer Submission bis zum Äußersten zu gehen. Im Zweifel gilt für beide Trainingspartner*innen: Vorsicht ist besser als Nachsicht.

2. Reguliere Kraft und Intensität deiner Trainingspartner*innen vor bzw. während der Übungen

Du gestaltest die Übungen und das Sparring aktiv mit. Achte darauf, dass Du die Kraft und Intensität deiner Bewegungen entsprechend den Fähigkeiten und Grenzen deiner Trainingspartner*innen anpasst, um Verletzungen zu vermeiden und ein effektives Training für alle zu gewährleisten. Verständigt euch im Vorfeld darauf, wie viel Kraft und Intensität für euch machbar ist. Sollten deine Trainingspartner*innen physisch oder technisch überlegen sein und Du merkst während der Übung bzw. des Sparrings, dass Du mit der Kraft und/oder Intensität überfordert bist, weise deine*n Trainingspartner*in hierauf hin.

3. Sprich eigene Bedürfnisse oder Unsicherheiten an bzw. frag aktiv nach

Du trägst Verantwortung für deine Bedürfnisse. Sei offen und kommunikativ über deine eigenen Bedürfnisse und Unsicherheiten, damit deine Trainingspartner*innen darauf Rücksicht nehmen können und ihr gemeinsam ein sicheres und unterstützendes Umfeld schafft. Wenn Du Schwierigkeiten damit hast, deine Bedürfnisse oder Grenzen zu erkennen, weil Du gerade erst mit dem Kampfsport anfängst, kannst Du genau das ansprechen. Erfahrenere Trainingspartner*innen helfen dir gerne weiter bzw. geben dir Tipps.

4. Arbeite mit Fokus im Training

Der richtige Fokus beim Training ist essentiell, um deine technischen Fähigkeiten weiter zu entwickeln und das Verletzungsrisiko für deine Trainingspartner*innen zu minimieren. Fokus meint dabei, dass Du die Priorität in den Technikübungen auf ein Verständnis von Bewegungsmustern legst und beim Erlernen wenig Kraft einsetzt. Auch im Sparring geht es nicht darum, deine*n Trainingspartner*in zu besiegen, sondern gezielt an der Umsetzung von Techniken zu arbeiten, ein Gefühl bzw. Auge für Bewegungsmuster zu entwickeln und darauf zu reagieren.

5. Nimm konstruktive Kritik an

Last but not least: Sei offen für konstruktive Kritik von deinen Trainingspartner*innen und Trainer*innen, um dich kontinuierlich zu verbessern und dein Können im Kampfsport weiterzuentwickeln. Hol Dir aktiv Feedback während und nach der Übung ein, um dein Verständnis von der Technik und deinem Körper zu erweitern.